Himmel, wo sind wir denn hier gelandet? Habe ich die UK denn unbemerkt verlassen? War da irgendwo eine Grenze? Hätte ich ein Visa gebraucht?
Nein, wir sind immer noch in Great Britain, wobei sich diese Ecke des Commonwealth lieber als komplett eigenständig sehen würde. Die Waliser sind die rothaarigen Gallier und erst einmal gegen alles was irgendwie römisch, ähhh englisch ist. Unser Ausflug bringt uns heute ganz nach Westen nach Cardiff, der Hauptstadt von Wales mit schnuckliger Altstadt, direkt am Meer und jeder Menge Rugby-Fans.
Als Waliser unterstützt man beim Sport grundsätzlich die andere Mannschaft, wenn es gegen England geht. Selbst wenn es Franzosen sind. Da stimmt man bei einem Rugby-Spiel auch ganz euphorisch in die französische Nationalhymne ein. Den Text kennt man zwar nicht, aber summen geht auch prima. Kaum bekommt ein englischer Spieler eins auf die Mütze oder es gibt ein Tor für die Franzosen wird gejubelt was das Zeug hält.
Wir stehen in einem Pub, staunen und lächeln über das „Anti-England-Verhalten“ und trinken Mango-Bier (ja, normales Bier, das ganz leicht nach Mango schmeckt) während wir nebenbei ein Rugby-Spiel anschauen. Lechid da (Prost)!
Bei dieser Sportart sind noch richtige Männer am Werk. So richtige Männer…stark, mutig, maskulin, schnell, mit breiten Schulten, voller Testosteron…und unfassbar hässlich. Bei genauerer Betrachtung (dank TV Nahaufnahmen) sieht man große, runde Köpfe, die direkt auf den Schultern zu sitzen scheinen, aufgrund des dickes Halses. Da Spiel läuft erst ein paar Minuten, aber die Köpfe sind bereits hochrot, die Adern sind an den Schläfen herausgetreten und der Dress hat die Farbe des Rasens angenommen vom vielen auf dem Boden „rum tobens“. Der erste Spieler muss nach – Respekt – ganzen 2 Minuten und 12 Sekunden ausgewechselt werden, Blut läuft über seine Gesicht.
Ich würde gerne mal für eine Halbzeit ein deutsches Fußball-Team dazustellen. Das wäre ein gute Schule für die schlechten Schwalben.
Bei aller Härte hat Rugby dennoch einen gewissen Reiz. Schnell und hat für mich, die keine Regel verstanden hat, etwas sehr amüsant chaotisches :-).
Eine weitere Möglichkeit zur Abgrenzung bietet die Sprache. Walisisch hat mit Englisch so gar nichts zu tun. Für mich sieht es wie eine wahllose Aneinanderreihung von Buchstaben aus und jeder Versuch es auszusprechen führt unweigerlich zu einem Zungenknoten.
Jeder Scrabble-Spieler würde sich ein paar walisische Kenntnisse wünschen für den nicht selten eintretenden Fall er hat Q,Y,N,R,D,X und nur einen Vokal zur Verfügung.
Für Walisisch kein Problem:
Neben der Sprache und Rubgy-Fans bietet Cardiff einen Hafen, eine Burg, Museum und unzählige Klamotten und Schuhläden, Einkaufszentren und kleine nette individuelle Läden mit Allerlei Zeugs in einer sehr netten Altstadt.
Nun ist es Zeit zu gehen und wir laufen zum Bahnhof um festzustellen, dass wir nicht reingelassen werden. Vor dem Eingang stehen Absperrungen, die die Menschen nach Zügen einteilen und erst in den Bahnhof reinlassen, wenn der Zug einfährt. Gut, es war das Rubgy-Spiel und ein paar Leute stehen rum, aber man kann es auch übertreiben. Wir sind scheinbar die einzigen, die sich wundern. Alle anderen stehen geduldig, gut gelaunt und bestens ausgerüstet mit Burger King Tüten in der Schlange.
Und es ist doch wahr: der Engländer (ups, darf ich das so in Wales sagen…) steht gerne in der Schlange oder fügt sich zumindest seinem Schicksal besser als der Deutsche. Wir sind nach 30 Minuten warten im Regen wirklich bereit für die Rückfahrt, da machen sich auch die Schranken auf und wir gehen über den leeren (!) Bahnhof zum Zug.